Stoltefamilie
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Stoltefamilie

ich zu solchen Diensten gerufen wurde. Dafür verschwiegen meine Brüder auch Unfälle, die ich bei tollkühnen Ritten hatte. Es ging ja gottlob immer glücklich aus. Meine Mutter war sehr ängstlich und hatte mir sicher das Reiten verboten, wenn sie alles gewusst hatte. Auch das Baden machte ihr schon große Sorgen. Da kam mein Bruder Walter, der edelste und unerschrockenster von den vieren auf einen guten Gedanken, die Mama zu beruhigen. Vor unserem Haus war der Gutsteich, ziemlich groß, wenn auch auch schmutzig. Er ließ sich eine Waschwanne geben und rief die Mama, sie mochte zusehen kommen. Voll angezogen setzte er sich hinein, ließ sich einen Stoß geben, ruderte noch zum Schein und plumpste dann selbstverständlich mit der Wanne um. Ein Schrei meiner Mutter. Aber gewandt tauchte er auf und schwamm flott mit den Kleidern an das ziemlich weit entfernte gegenseitige Ufer. Triefend kam er zu der Zuschauermenge und sagte „So Mama, nun hast du gesehen, dass ich schwimmen kannf“


Neben Reiten, Schwimmen, Flitzbogenschießen, Croquet undTennisspielen brachten wir Mädels es auch zu großer Gewandtheit im Klettern. im Park, der sich ans Haus anschloss, waren zwei lange Laubengänge aus Buchen. In diesen Buchen kletterten wir den ganzen Gang entlang und an besonders schönen Stellen hatten wir unsere Wohnung. Stundenlang konnten wir oben in den Buchenästen sitzen und Buchenblätter fein ausritzen oder lesen meist überhöht durch das Geheimnisspiels das allem und jedem Tun eben seinen besonderen Reiz gab. Im Ausritzen der Buchenbiätter waren wir auch sehr geschickt; wie wir überhaupt, da wir alles mit Eifer, Liebe und Ausdauer betrieben es auch in allem zu einer gewissen Meisterschaft brachten. Vor kurzem noch kam mir solch ein Blatt in die Hand, aufgeklebt auf ein Stück Papier, auf dem Worte standen, die mir nur bruchstückweise noch im Ohr nachklingen. Vieleicht besinnt sich Elisabeth noch auf das Fehlende!


„den Ekkehard‚


den ich mit Feuer und Begeisterung las.


Und träumend hielt ich dieses Blatt in Händen.


Fort trug der Wind die schnell gesprochenden Worte.


Da fiei mir ein, dass ich zum letzten Mal


ais Kind mit dir auf diesem Baum gesessen.“


Die Laubengänge tiefen am Ende in richtige viereckige Lauben aus mit 3 Bänken ringsum. Die schönste von den beiden war unsere ‚Theaterlaube‘. Neben körperlichen Sport, vergaßen wir auch den geistigen nicht. Er war uns kein Zwang, er war uns selbstverständlich und gehörte zum Leben wie Spielen, Klettern und Reiten. Der Marcenas  dieser dieser geistigen recreation und später creation war Tante Marne, die gescheite Schwester meines Vaters. Ihre Freude an allen geistigen Äußerungen spornte uns an und Anfangs genannte gescheite Schwester meines Vaters. Ihre Freude an allen geistigen Äußerungen spornte uns an und forderte Ungeahntes zu Tage. Zuerst waren es Gedichte, die wir in der Theaterlaube vortrugen, solche, die wir kannten, dann lernten wir zu dem Zweck und zwar, wenn ich heute zurückdenke, mit rasender Geschwindigkeit. Die illustrierten Bücher meiner Mutter boten die größte Anziehungskraft. ‘Album für Deutschlands Töchter‘ und der illustrierte Schiller. Mit 10-11 Jahren lernten wir „des Mädchens Klage“, „Der Knabe am Bach“ und auch die „Kindsmörder“.


Des Mädchens Klage


Der Eichenwald brauset, die Woiken ziehn,

Das Magdlein sitzet an Ufers Grün;

Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht,

Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht,

Das Auge vom Weinen getrübt.

Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer‚

Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr.

"Du Heilige, rufe dein Kind zurück,

ich habe genossen das irdische Glück,

ich habe gelebt und geliebet."

Es rinnet der Tränen vergeblicher Laut,

die Kiage, sie wecket die Toten nicht auf,

Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust

Nach der süßen Liebe verschwundener Lust,

ich, die Himmlische, will's nicht versagen.

Lass  rinnen der Tränen vergeblichen Lauf.

Es wecke die Klage den Toten nicht auf!

Das süßeste Glück für die trauernde Brust.

Nach der schönen Liebe verschwundener Lust

Sind der Liebe Schmerzen und Kiagen.

Friedrich Schiller


Die gefiel  gerade meiner kleinsten Schwester besonders, an der Stelle: „Henker kannst Du keine Lilie knicken‘ erlaubte sich die  8-jährige  die Kritik: ‚Aber Tante, sie war doch keine Lilie."


Was der Laube aber ihren Namen gegeben hat, war ein kleines französisches Stückchen, "Après le bel', das gerade meiner Schwester Ottilie und mir auf den Leib geschrieben war. Zwei junge Mädchen sind am Abend der Hochzeit ihrer Schwester ins Bett geschickt und unterhalten sich über den Bräutigam „le cou de denton' und malen das Bild ihres Zukünftigen. Mein Herz lag ganz in der realen Welt, besonders haftete mein Herz an der schonen Richterrobe und im Eifer der Schilderung ging ich soweit, als Vorteil zu preisen „le canon qu'on tire a son enterrement“. Ottilie hatte dann entsetzt zu sagen:

Jodocus Stoltenius

* Rinteln etwa 1555 / 60

+ Rinteln 1599


(an der damals grassierenden Pest"), begraben ebd. St Nicolai, Pfarrer in Rinteln; stud.theol. an der erst 1576 gegründeten Universität Helmstedt, seit 17.11.1577, Magister der philosophischen Fakultät ebd. 7.11.1581. so- dann Rek­tor am Gymnasium ebd. 1.3.1583, wurde kurz danach zwei­ter Pfarrer an St Nikolai in Rinteln, 1590 erster Pfarrer ebd

  

Elisabeth Bunger

* nicht bekannt

+ nicht bekannt


Tochter des Superiintendenten Bunger

Carl West

* 27.6.1831 in Fuchsberg / Ostpr.

+24.7.1910 in Königsberg / Ostpr                

Kind 1

Die Geschichte der 1. Ehefrau Charlotte Margarethe Helene und Familie Mueller-West

mit dem dazugehörenden Rittergut Genslack in Ostpreußen

Bilder zum Vergrößern anklicken

Gen. 20.2 Die 1. Ehefrau Helene Mueller-West und Familie

Hermine Wagner

* 28.9.1847

+22.12.1918 in Königsberg / Ostpr                 

Kind 2

Verheiratet am 27.2.1867 in Fuchsberg/Ostpr.

Gen. 18

Gen. 20

Kind 3

Kind 4

Helene Elisabeth "Puschi" Stolte

 *24.10.1914 in Königsberg / Ostpr.

 + 27.12.1989 in Büdingen / Hessen


4 Kinder       

Alfred Mueller-West

*  nicht bekannt

+ nicht bekannt


Er kaufte 1938 in Südwestafrika (heute Nanibia) eine Farm und lebte dort ca.35 Jahre. Sein Hauptgeschäft war die Rinderzucht so wie er es in seiner Heimat in Ostpreussen gelernt hatte.          

Friedrich Oskar Heinz Hans Henning

* 30.7.1916 in Königsberg / Ostpr.

+ 9.5.1989 in Hamburg-Rahlstedt

Nach 3 Jahre langer schwerer Krankheit, zu Hause, wie gewünscht,im eigenen Bett

gestorben.

2 Kinder

         

Die Familie um Ehefrau 1 Charlotte Margarethe Helene Mueller-West mit 1.Ehemann Heinrich Stolte und 2. Ehemann Egon von Pirch.

Grenze vor 1937. Blau=Deutsches Reich. Beige=Polen.

Verheiratet in 1. Ehe am 13.8.1888 in Freudenthal/Westpr.

Auguste Johanna West

* 14.1.1868 in Freudenthal / Westpr.

+8.11.1943  auf Gut Genslack / Ostpr.


4 Kinder               

Friedrich Mueller

16.4.1852 in Antmyriken / Ostpr.

+ 4.7.1905 auf Gut Genslack / Ostpr.


Er erwarb das Gut und war Herr auf Genslack und Amtsrat, verstarb mit 53 Jahren.                

Verheiratet in 1. Ehe (Heinrich Stolte) am 14.1.1914 in Starkenberg / Ostpr.

Charlotte Margarethe Helene Mueller-West

* 13.5.1889 auf Adl.Gut Genslack / Kreis Wehlau / Ostpr.

+ 15.7.1978 in Baden / Baden


Geschieden von Heinrich Stolte am 6.8.1928 in Berlin


2 Kinder


Helene heiratete in 2. Ehe am 15.9.1928 den Rittergutbesitzer Egon Caspar von Pirch. Aus dieser Ehe ging 1 Tochter hervor.                

Oskar Friedrich Wilhelm Heinrich Stolte

* 24.7.1884 auf dem Ordensschloß Marienburg / Westpreußen

+23.2.1962 in Berlin- Lichterfelde


-abgeschl. Jurastudium mit Staatsprüfung

-in Berlin als Anwalt gearbeitet.

Geschieden am 6.8.1928 und am 1.7.1930 wieder verheiratet mit Liselotte Bork.

-später Regierungsdirektor beim Oberfinanzpräsidium in Leipzig.

Lebte als Pensionär in Berlin

Verheiratet in 2. Ehe 1908  mit

Wilhelm von Haugwitz.

Wilhelm von Haugwitz

* nicht bekannt

+nicht bekannt


Gutsinspektor Wilhelm von Haugwitz kam nach dem Tod von Friedrich Meuller auf das Gut Genslack. 3 Jahre später im Jahre 1908 heiratete er die Witwe Auguste Johanna West und wurde Herr auf Genslack.


Später verließ er das Gut und die Ehefrau Auguste Johanna, weil dei Differenzen mit den Söhnen von Johanna aus 1. Ehe über die Leitung des Anwesens immer heftiger wurden. Über den Verbleib sind keine Angaben bekannt.             

Das Hauptgebäude,

davor der Gutsteich der heute noch existiert

(siehe Luftbild unten).

Egon Caspar Alexander Max Wilhelm Hermann Freiherr von Pirch

a.d. Hause Wobensin

* 21.8.1892 in Köslin

+ 11.1.1975 in Holzminden


kgl. preuss. Leutnant der Res. u.i.d. Wehrmacht Oberstarbeitsführer

Herr auf Rittergut Überbrück, Kr. Neustadt b. Danzig / Pommern (heute Zamostne/Polen)


verheiratet in 1. Ehe am 29. Mai 1917 in Breslau mit

Nora von Damnitz,

 *18.8.1893 in Berlin

+nicht bekannt

Tochter des Ferdinand von Damnitz und seiner Ehefrau Martha Gräfin Festeties von Tolna

Scheidung 1928

Horst Mueller-West

* 1904

+ nicht bekannt


Offizier im 2 Weltkrieg und lebte danach in St. Peter Ording, betrieb dort eine Fabrik für Betonhohlsteinfertigung            

Conrad Mueller-West

*  nicht bekannt

+ nicht bekannt


Offizier im 2. Weltkrieg

Keine weiteren Angaben vorhanden            

2. Ehemann

2. Ehemann

Gen. 19

1. Ehemann

1. Ehemann

Tochter Elisabeth Stolte und Familie Kranz

Stammfolger u. Sohn Hans Henning Stolte

Hier wird ausführlich über die Heimat der Familie Mueller-West berichtet.

 Das Adl. Gut Genslack zwischen Königsberg und Wehlau diekt an dem Fluß Pregel in Ostpreußen war der Lebensmittelpunkt.

Grenze vor 1937. Blau=Deutsches Reich. Beige=Polen.

Hier wird ausführlich über die Heimat der Familie Mueller-West berichtet.

 Das Adl. Gut Genslack zwischen Königsberg und Wehlau diekt an dem Fluß Pregel in Ostpreußen war der Lebensmittelpunkt.

Die Besitzer und die Geschichte des Adl. Gut Genslack.


Das adlige Gut Genslack im Kreise Wehlau am Fluss Pregel gelegen und durchschnitten von der Königlichen Ostbahn, besteht aus dem Hauptgut Genslack mit den Vorwerken Oberwalde, Paulinenhof und Waldhaus, der großen Ziegelei Zimmau und der Wassermühle Zimmau. Im Ganzen umfasst es ein Areal ca. 1600 ha., davon 160 ha. beste Pregelwiesen. Im Jahre 1616 vertauschte Salomon von Hüllsen sein Gut Schönbaum im Amte Tapiau gegen eine gleich große Fläche in Genslack, welche demselben auf Befehl des Herzogs Johann Sigismund dort angewiesen wurde. Später kam Genslack in den Besitz der Familie von Reichmeister, dann durch Heirat an B. von Gaudy. Nach dessen Tode wurde von Bolschwing Besitzer, der die königliche Ziegelei Zimmau dem Gute erwarb. 1821 kaufte Genslack Baron von Heyking und vereinigte mit demselben das Gut Oberwalde. 1838 kam es in den Besitz des Grafen Klinkowstroem, von dem es 1841 der vorletzte Besitzer, Amtsrat Friedrich von Maröes kaufte. Letzterer hat das früher bedeutend kleinere Gut durch Zukauf der Mühle Zimmau und der sämtlichen noch vorhandenen Bauernländereien vergrössert und arrondiert, so wie fast alle Gebäude neu aufgebaut. Dem Amtsrat Friedrich von Maröes gehörten ausserdem noch die Güter Althof Skirbs im Kreise Niederung und Elisenau im Kreise Domnau.


Im Juli 1890 pachtete und 1896 kaufte  Amtsrat Friedrich Mueller (Urgroßvater des Autors dieser Webseite), verheiratet mit Auguste Johanna Mueller, geb. West das Adl. Gut Genslack, nachdem der Vorbesitzer Friedrich von Maröes sich vorher finanziell übernommen und später erschossen hatte. Es wurde Milchvieh (über 100 Stück) auf den satten Pregelwiesen gehalten. In einer eigenen Molkerei mit Käserei wurde der über die Grenzen beliebte "Tilsiter" Käse hergestellt und vermarktet. Weiterhin war Friedrich Mueller bekannt für die Aufzucht von Remonten (im militärischen Bereich verstand man unter Remonten drei- und vierjährige Pferde). Sie wurden für die jährlich ausgemusterten Armee-Pferde benötigt, z. B. im Jahre 1900 bei einem Bestand des kaiserlichen Heeres von 98.000 Pferden, wurden 11.000 Remonten benötigt. Das preussische Militär kaufte sie vor allem im ehemaligen Ost- und Westpreußen).


Die zum Gut befindliche Ziegelei Zimmau wurde von Herrn Georg-Friedrich Lemke gekauft und erfolgreich zu einer Aktiengesellschaft umfunktioniert. Er mietete den Anbau des Haupthauses auf Genslack für seine Familie. Seine Tochter Marie schrieb später die Erinnerungen an die paradiesische Zeit auf Gut Genslack. (siehe weiter unten),


In diesem Jahr wurde am 13.6.1889 Charlotte Margarethe Helene Müller-West geboren.


Friedrich Mueller bewirtschaftete das Gut erfolgreich. Er trug den Titel Amtsrat und verwaltete zusätzlich den Amtsbezirk Genslack vom 21.1.1890 bis zu seinem Tode. Er verstarb leider sehr früh am 4.7.1905 mit 53 Jahren.


Seine Witwe Auguste Johanna heiratete dann 1908 den Gutsinspektor Wilhelm von Haugwitz, der das Gut weiter bewirtschaftete, später aber das Gut und die Familie verliess. Er hatte sich mit den Söhnen von Friedrich Mueller nicht mehr verstanden. Es wurde häufig wegen unterschiedlicher Meinungen zur Führung des Gutes gestritten. Die immer noch zum Gut befindliche Mühle wurde verpachtet. Die 3 Söhne von Friedrich Mueller unterstützten dann die Mutter bei der Führung des Adl. Gutes Genslack.


Am 1.12.1910 zählte der Gutsbezirk Genslack 157 Einwohner, wovon ca. 60 erwachsene Einwohner unmittelbar auf dem Gut arbeiteten bzw. vom Gut lebten.


1914 heiratete Charlotte Margarethe Helene (Tochter des Friedrich Mueller) den Gerichtsassessor und späteren Regierungsdirektor im Finanzpräsidium Leipzig, Heinrich Stolte. Aus der Ehe gingen 2 Kinder hervor: 1914 Elisabeth Helene und 1916 Hans-Henning. Die Ehe wurde 1928 geschieden.


Von 1919 bis 1927 übernahm der älteste Bruder von Charlotte, Alfred, der in dieser Zeit das Gut Genslack seiner Mutter verwaltete, zusätzlich als Amtsrat auch die Verwaltung des Amtsbezirks Genslack. Später ging Alfred Mueller über Andalusien/Spanien nach Süd-West Afrika und war dort Farmer und Rinderzüchter. Die Brüder Conrad und Horst wurden in der Armee Berufs-Offiziere.


Das Ald. Gut Genslack ging in den Besitz der Tochter Charlotte Margarethe Helene Stolte, geb. Mueller-West über. Im gleichen Jahr, 1928, heiratete sie in 2.Ehe den ehemaligen Offizier und Rittergutsbesitzer Egon Caspar Freih. von Pirch, der seine Anwesen in Pommern hatte..


Die Abtrennung Ostpreußens vom Deutschen Reich nach dem 1. Weltkrieg verschlechterte die Lage der Landwirtschaft so sehr, dass sich viele Güter nicht mehr halten konnten. Im Jahr 1929, das Jahr der Weltwirtschaftskriese,  wurde ein Teil der 1000 Hektar durch die Landgesellschaft in 27 Siedlerstellen zu je 60 Morgen und Wiesenanteile aufgeteilt, die 1930 bezugsfertig und bis 1932 bezogen wurden.


Der Sohn von Charlotte Mueller, Hans-Henning Stolte, verbrachte seine Kindheit und Jugend, später als landwirtschaftlicher Eleve bis zum Beginn des Krieges 1939 auf Gut Genslack. Er sollte später einmal Gutsherr auf Genslack werden.


In den Kriegsjahren wurde Genslack auch als Erholungsheim für Berliner Kinder genutzt, da Ostpreußen als ruhiges, vom Krieg verschontes Land galt.


Am 22. Januar 1945 wurde die Bevölkerung vor der nach Westen und Norden voranschreitenden Invasion der Roten Armee gewarnt. Es kam über Nacht der Evakuierungsbefehl für alle auf dem Gut befindlichen Personen. Jede Person durfte nur 25 kg an Gepäck mitnehmen.


Die rote Armee brandschatzte alles was ihnen in die Quere kam. Auch das Gut Genslack wurde nicht verschont. Was blieb, war Schutt und Asche. Am 23. Januar floh die Bevölkerung, auch Charlotte  Mueller-West mit den Töchtern  Elisabeth aus 1. Ehe und Heidi aus 2. Ehe, mit nur wenigen Habseligkeiten vor der Roten Armee über das zugefrorene Haff Richtung Gotenhafen. Endlose Flüchtlingstrecks zeugten von der grausamen Vertreibung aus der Heimat.




Die Ländereien des ehem. Gutes Genslack liegen heute auf russischem Gebiet und renaturieren, da eine geordnete Entwässerung und Bewirtschaftung der Pregelwiesen nicht mehr betrieben wird. Die Äcker stehen im Herbst zum Teil unter Wasser und wo früher die "Kornkammern" standen ist heute das Land brach und sumpfig. Der Ort Genslack heisst heute Prudy.


  

Hintere Ansicht vom Park gesehen. Rechts der Anbau mit der Fahnenstange.

Die letzte Generation auf Genslack: Hans Henning "Spatz" und Schwester Elisabeth "Puschi" Stolte mit ihren Hunden im Garten.

Hans Henning (8) rudert im Schweinetrog über dem Teich vor dem Gutshaus. Die Dorfkinder (hinten) sehen zu.

Lageplan Königsberg/Ostpr.  --  Genslack

Lageplan  Genslack

Sateliltenfoto Genslack 2012

Ausschnittsvergrößerung des ehemaligen Gutshofes.

Historischer Lageplan (1906) von Genslack

Frau Marie Bock geb. Lemke (1880 - 1964) hat ihre Jugend im Kreise ihrer Familie auf dem Gutshof Genslack erlebt           (ca 1888 - 1896). Ihre ausführlichen Erzählungen läßt uns am Leben dort teilhaben.

Ihr Vater kaufte die ehemals zum Gutshof gehörende Ziegelei Zimmau und lebte mit seiner Familie in dem angebauten Neubau (mit der Fahnenstange) auf dem Gutshof.


Charlotte Mueller-West (1889 - 1973), die Tochter des Gutsbesitzers Friedrich Mueller (1852 - 1905), lebte im Haupthaus des Gutshofes. Heute kann man sicher sein, dass die Kinder zusammen alle Spiele in der Natur unternommen haben. Charlotte wurde später die Großmutter des Autors dieser Webseite.


Die Veröffentlichung der unterstehenden Erzählung ist von Jost Schaper, ein Nachkomme der Marie Bock, 2009 für dieser Webseite genehmigt worden.

Zeichnungen der Marie Bock, geb. Lemke

“Moi je voudrais un poète, oui quelqun inquiete et qui dans debeaux vers ..“

„De vers de pourquoi?“

„Pour me parler d ‘amour et du ciel”

„Et de toi“


Sie trennten sich am Fluss mit den Worten:


“Rêve de manage”

„Et toi, rêve d'amour!”


Dies Stückchen übten wir in der Theaterlaube und brachten es zur vollen Beherrschung des Stoffes in dem Maße, dass die Zuhörer tatsächlich den Eindruck bekamen, nicht Erlerntes sondern selbst erlebtes Eigenes zu hören.


Die Sprache und das Auswendiglernen machte uns ja nicht die geringsten Schwierigkeiten, denn inzwischen war Mademoiselle François zu uns gekommen und Französisch war die Sprache des täglichen Lebens.


Als “Sellchen” ankam, bekamen wir allerdings zuerst einen großen Schreck. Sie hatte bei ihrer Anmeldung „Frevelwalde“ statt „Pregelwalde“ als Poststation angegeben. Der Brief erreichte uns daher erst lange nach ihrer Ankunft. So war kein Wagen am Bahnhof Lindemann gewesen und sie hatte nach der langen Fahrt von Brüssel noch dazu bei Wind und Regen auf ostpreußischen Landwegen den Weg von 0,7 km zu Fuß machen müssen. Ich sehe sie noch deutlich vor mir und staunte das kleine fremdländische Fräulein mit den dichten nassen Haaren und Kleidern genauso an wie meine Mutter, die mit einem Mal fließend französisch mit Mademoiselle François sprach.


Sie passte glänzend in unser Haus. Sie war Lehrerin, keine „Bonne“, sehr gescheit, taktvoll und sehr geordnet. Nach wenigen Tagen war sie heimisch bei uns. Wir Mädels hatten die Gewohnheit, uns abends noch lange zu unterhalten und konnten dabei kein Ende finden. Da erschien plötzlich Sellchen bei uns im Kinderzimmer mit aufgelösten dichten Haaren, das bis auf die Erde reichte. Wie staunten wir sie an! So etwas kannten wir nur vom Märchen her? Sie hatte sich ganz hinein hüllen können.


Englisch hatten wir schon vorher mit Tante Marie betrieben und Little Women, Good wives, Little Men82 und einige Bücher mit 12/ 13 Jahren mit ihr schon gelesen; wohl verstanden gelesen, nicht übersetzt. Dadurch hatten wir auch für das Englisch das Sprachgefühl bekommen, das noch so solider Unterricht der alten Methode nie allein geben kann. Wohlverstanden, die solide Grundlage hatte Fräulein Wermke gegeben und dann die Schule! Unsere Mitschülerinnen, lrmgard, Lolli und Minna Simon, die diese solide Grundlage nicht bekommen und immer ‚bonnen" gehabt hatten, kamen über ein gewisses Niveau nie hinaus und ihre Arbeiten wimmelten von Fehlern. Es waren die Töchter der durch die „Adultera' von Fontane berühmt gewordenen Frau Simon geschiedene Ravenay.

Auf den oberen Klassen lasen wir alle drei englische und französische Bücher aus der Bibliothek ohne Mühe. Das erste deutsche Buch, das ich las, noch mit Fräulein Wermke, war Robinson Crusoe, der erste Roman Soll und Haben.


Wir hatten auch viel Logierbesuch in Genslack, besonders in den ersten Jahren. Auch dadurch hatten wir viel Anregung. Tante Antonie machte uns mit der Welt Christi bekannt, Tante Marie spielte mit uns Bezique, lehrte Patience legen und brachte mir ein Kartenkunststück bei, bei dem ich noch lange nach ihrem Tode in Gesellschalten Aufsehen erregte. Es hat nie einer das Rätsel gelöst. ich werde es im Laufe der Erzählung meines Lebens hier preisgeben. Die Frauenfrage und die Gattenfrage wurde uns durch sie nahe gebracht und diese Unterhaltungen fanden ihren Niederschlag in einem kleinen Stückchen von Elisabeth: “Wer ist der Rechte?‘ Eine Aufführung hat dies Stückchen nicht erlebt, wohl aber ein anderes von der 11jährigen. Die geladenen Gäste kommen und werden begrüßt, aber ungeduldig wartet man auf's Essen. Da kommt die Nachricht, dass die Katze die gebratenen Täubchen gefressen hat‘.  Mir ist nur noch der Vers in Erinnerung: ‚Nehmen Sie gefälligst Platz.“ (leise) „Kommt bald das Essen lieber Schatz?" Und der Schluss wo man beschließt, ohne Fleisch bei Kuchen und Obst vergnügt zu sein „wie es ist in der Thalysia Mode nach Dr. Lahmanns Heilmethode.‘ Auch hier bedeutet, wie die Unterhaltung der Großen nachwirkte. Tante Gretchen erzählte uns den lnhalt der Wagnerschen Dramen, jeden Abend, wenn wir noch einen Spaziergang machten, mit Fortsetzung.


Titurei, Gurnemanz, Parsivai, Lohengrin, das wurden uns iiebe wohibekannte Gestalten. Ais Tante Gretchen das zweite Mai kam, brachte sie Gredel mit, die Gesangslehrerin in Beriin war und bei derTante wohnte. Sie war die Tochter des ältesten Bruders meines Vaters, Onkei Juiius, dem Gründer der Leipziger Feuerversicherungsanstalt, damals 34 Jahre ait. Sie war sehr hübsch, mit glattem dunklem Scheitel und mit tiefer Altstimme. Sie sang mit uns und für uns und mit manchem Lied klingt in mir jene Zeit wieder. Es ist wohi das einzige Mai in meinem Leben,dass mir Musik innerlich nahe gebracht wurde. Sie war eben eine Künstlerin, sie hielt uns selbst an produktiv zu sein und – ich liebte sie. ich liebte sie mit der ganzen schwärmerischen Kraft meiner 18 jährigen Mädchenseele, ich dachte Tag und Nacht nur noch an sie.


Ich glaubte nicht mehr leben zu können, ais sie abfuhr. Das Wunder geschah! Sogar die Schule wurde mir gleichgültig und vom 2ten Piatz, den ich mir schnell erobert hatte, kam ich auf den 4ten.


Wenn ich ein Vöglein war, Schlafe mein Prinzchen es ruhen, An Aiexis send ich Dich, mit diesen Klängen kommt eine Weite wonnesamer Empfindungen herauf.


Am schönsten war das Lied:


Sag wo sind die Biumen hin

ach die Biumen sind verblüht.

Sag wo ist das Mädchen hin?

Sag wo ist der Sänger hin?

Auch der Sänger ist verbiüht.


5 Jahre nach dem Besuch bei uns heiratete sie Jose Viana da Motta und 1 Jahr darauf war sie tot. Auch der Sänger ist verblüht.


  

Es erschloss sich uns, mir und  meinen 2 Schwestern, unser Kindheitsparadies Genslack. Das Glück begann in den Himbeersträuchern. Ich sehe den vornehmen dunklen Herrn deutlich vor mir, wie er mit seinen langen schmalen Fingern die großen Himbeeren pflückte und uns zureichte. Das hatten wir noch nie erlebt. Die Tragik, die dahinter stand, ahnten wir freilich nicht. Jener Herr war der Besitzer von dem adligen Rittergut Genslack. Dieses Gut lag zwischen Groß Lindenau und Tapiau. Herr von Maroes hatte eine sehr reiche Frau geheiratet, eine geborene Moneta. Daraufhin hatte er sein Gut neu gestaltet und wundervolle Ställe gebaut.


Beim ersten Kindbett lag die Frau im Sterben. Meine Mutter hatte uns in ihrer anschaulichen Art erzählt, dass wir Kinder es nie vergessen haben - Ärzte und Rechtsanwälte saßen am Wochenbett der jungen Mutter und an der Mega des schwächlichen Kindes. Wird die Mutter noch zum Bewusstsein kommen, um ihren letzten Willen kund zu tun und ihrem Mann ihr Vermögen zu vermachen oder wird das Kind wenigstens um Sekunden die Mutter überleben, damit das Kind die Mutter und der Vater sein Kind beerben konnte. Dann war Herr von Maroes gerettet. Keines von beidem geschah. Das Kind starb vor der Mutter und die junge Frau kam nicht mehr dazu, ihren Willen kundzutun.


Herr von Maroes blieb zurück ohne Frau, ohne Kind, ohne Geld. Die Schuldenlast war riesengroß. An jenem Himbeertag hatten uns die Eltern wohl mit aufs Land genommen, als mein Vater helfen wollte, die Lage zu ordnen. Später hörte ich, Herr von Maroes sei noch bei meinem Vater im Comptoir gewesen, eine Stunde darauf hatte er sich erschossen. Ich war damals noch nicht 10 Jahre und dies Schicksal hat mich so erschüttert, dass es bis heute in meiner Seele miterlebt. Leider habe ich daraus nicht gelernt, bei meinen eigenen Kindern eine gleiche tiefe und seelische Empfindsamkeit in diesem Alter vorauszusetzen. Manchen Schmerz, manches spätere Missverstehen, hätte ich ihnen und mir erspart.


Genslack, das Gut wurde verkauft, an einen einfachen Gutsbesitzer, Herrn Müller, die Ziegelei wurde unter der Hand meines Vaters zu einem Aktienuntemehmen, in das er sein erspartes Vermögen, etwa 100,000 M. hineinsteckte. Er hatte in Königsberg die Entwicklung der Stadt nach den Hufen vorausgesehen, hatte dort Terrain kaufen wollen, wurde aber nicht herangelassen und suchte nun diesen Weg zur Entfaltung seiner kaufmännischen ldeen. ln Genslack war an das Gutshaus ein Anbau gemacht worden, den mieteten wir uns, statteten ihn als Landhaus aus. Es waren wohl 7 Zimmer in der l. ten Etage und eine große Küche und Mädchenzimmer und Nebengelass im Erdgeschoss.


Hier konnte meine Mutter ihr großes Organisationstalent entfalten. Schlichte Möbel, bewusst schlichtes Geschirr und einfache Einrichtung gaben dem Ganzen den leichten Charakter, der zur Sommerfrische gehört. Einige dieser schlichten Möbel leben noch heute - ich bin 40 Jahre verheiratet - in meiner Wohnung. So war es auch nur möglich, dass meine Mutter so viele Gäste bei sich sehen konnte. Vor dem Hause war ein großer Tisch unter einem Fliederbaum, dahinter für Regentage auch ein Zelt. Ein riesengroßer Park mit 2 langen Laubengängen schloss sich an das Gutshaus an, etwas abseits neben dem Inspektorhaus waren noch ein Riesenpark mit großen Abhängen und Schluchten geteilt in zwei Teile durch die Eisenbahn. Ein großer Pavilion gab Gelegenheit zum Ruhen und zum Beobachten der Züge. Wie manchen D-Zug haben wir dort vorbeirasen sehen, wie manchen Pfennig platt drücken lassen.


Dahinter kamen nach echter Wildnis die Pregelwiesen mit unsem Tennispiatz und dem still ausfliessenden Pregel mit seinen Dampfern, den litauischen Flossen und Kartoffelkähnen. Wie haben wir diese Wildnis durchstreift, bewaffnet mit Bogen und Pfeilen, Säbel, Gewehr und Riesenstangen.  Ich schoss damals so gut, daß ich Äpfel vom Baum schoss und mit den langen Stäben setzte ich die tiefen Abhänge hinunter, wohi 5-6 Meter dabei in der Luft schwebend. Im Herbst waren die Apfelbäume und die großen Strohhaufen die Hauptanziehungspunkte. Kein Baum war zu schwierig zuerklettern, kein Strohhaufen zu hoch zum Hinunterstürzen oder Springen. Oft übertraf ich meine Brüder. Unmittelbar am Haus war der Croquetplatz. Ein schönes Spiel. Ich habe es mit Leidenschaft gespielt und bis zur Virtuosität darin gebracht; das ging soweit, dass keiner mehr mit mir spielen wollte. Kam an mich die Reihe, dann nahm ich mir eine Kugel mit und holte mir von ihr immer wieder neue Schläge, dass den anderen Spielern nichts übrig blieb, als zuzusehen, bis ich durch das letzte Tor und an den Pfahl rannte. Es blieb mir daher nichts übrig, ais mit der linken Hand zu spielen. Leider stand ich dann aber um 5 Uhr auf und übte so lange, bis ich es zur gleichen Virtuosität gebracht hatte und damit wieder ein unliebsamer Partner wurde. Manch ein Streit entspann sich dabei freilich auch. Aus jener Zeit stammt das berühmte Wort von Onkel Paul, das meine Mutter noch im späten Alter zitierte: „Es ist doch ganz gleich, ob die Kugel durch's Tor geht oder daneben.“ Heute habe ich Onkel Paul weit überholt in der Auffassung, was wichtig und unwesentlich ist, aber gerade die Unbedingtheit und unser Eifer gaben damals dem Spiel seinen Reiz und mochte ich hinzufügen, dem Leben überhaupt.


 Wohl eine halbe Stunde vom Gutshaus lag malerisch die Mühle und der umwaldete Mühlenteich. Der Teich selbst lag tief, zu beiden Seiten erhoben sich schmale Waldungen, offenbar künstlich angelegt, wie ihr Name „die Anlagen“ besagte. In diesen Anlagen führte am Ufer des Teiches ein schmaler Pfad entlang. Hin ging man auf der Chaussee, wohin der Waldpfad führte, ist mir vollkommen entfallen. An einer schönen Stelle war ein Badeplatz gemacht worden. Dort haben wir mit unseren Gästen schöne Stunden verlebt und auch auf Strohbündeln die ersten Schwimmversuche gemacht. Einmal bin ich auch mit den Brüdern auf dem schmalen, schlüpfrigen Pfad am Ufer des Teiches entlang geritten. Das war streng verboten, weil ein Pferd das Bein brechen und wir stürzen konnten. Die atemlose Spannung und das Herzklopfen, die Waldesstille und die ganze Atmosphäre des verbotenen ist in mir wach, als wäre es gestern gewesen. Einen Strauchbesen führten wir mit, um alle Spuren der Pferde, die sich um unser schlechtes Gewissen nicht kümmerten, gleich zu vernichten. An der Badestelle musste ich die 4 Pferde halten, weil meine Brüder baden wollten. Als Menschenstimmen zu hören waren, bekam ich den Befehl, mit den Pferden den Abhang hinauf zu steigen bis zum Ackerrand. Das war gar nicht ganz einfach, denn der Abhang war recht hoch und steil und der Raum zwischen den Bäumen für 4 Pferde sehr schmal, aber es gelang. lch war damals wohl 12 Jahre und sehr stolz, das

Onke! Hugo, Gymnasialdirektor in Stettin und Konservator von Pommern, war auch einer unserer Gäste mit Frau, einer Tochter und dem jüngsten Sohn Barnim. Er war uns sehr interessant. Er zog sich aus der großen Gesellschaft aber gern zurück und saß stundenlang in dem Pavilion hinten im Park und studierte seine Pergamentbände. Er hat das Museum für Altertumskunde in Stettin begründet, und schon zu seinen Lebzeiten wurde seine Büste dort aufgestellt. Jetzt sollen Museum und Büste auch ein Raub der Flammen geworden sein.


Aber bei allem Besuch, bei aller Betätigung und allen Anregungen, blieb doch immer Zeit zur Besinnung und Beschauliichkeit und die ganze Schönheit eines Sonnentages, das Summen der Bienen, einer Hummel, das leise Raschein der Bäume im Winde, die ganze sommerliche Atmosphäre habe nicht nirgendwo empfunden wie in Genslack. Kopf und Herz waren eben noch frei und imstande sich ganz dem Augenblick und der Stimmung hinzugeben. Manche Geräusche sind ganz untrennbar mit Genslack verbunden. Wenn es plötzlich tüchtig gießt abends im Haibdunkei: dann durchfährt mich der Gedanke, ob dein Hut noch im Garten iiegt? Es passierte mir nämiich oft, dass ich im Laufe angeregter Spiele den Hut im Garten vergaß und ihn dann erst amanderen Tag ganz nass und steif getrocknet wieder holte. Das waren damals aber noch richtige Strohhüte, die gottlob auch solche Behandlung vertrugen.


Genslack war nicht zu vergleichen mit einem modernen Seebad, in das man Kinder hinführt für ein paar Wochen als Gäste. Wir waren nicht Geste, wir kamen nach Hause, wir fanden alle unsere Sachen unberührt vor, wenn wir wiederkamen und alles war schön vom ersten Augenblick des Packens und das Reisefieber beim Besteigen des Dampfers unten am Pregel mit dem beliebten Mundvorrat kalte Bratwurst, kalter Kiopse, harten Eiern und Braten für die fange Fahrt von 3-4 Stunden auf dem sonnenbeglänztem Pregei bis zum Schiuss, wenn der Kutschwagen und der Ktapperwagen fürs Gepäck vor dem Hause hielten, um uns heim zu nehmen. Auch schiechtes Wetter konnte uns nichts anhaben.


Ach wie viel könnte ich noch erzählen!  Mit 13 Jahren bekam ich meinen Damensattel und Hermann einen kleinen Klapperwagen zu Weihnachten. Der Wagen ließ sich nicht auf den Weihnachtstisch steifen, darum lag auf seinem Platz ein Bogen auf dem ein Wagen aufgeklebt war, darunter die Verse:


Einen Wagen hast Du hier

Aber Sohn, das merke Dir

Sollte ich es je erleben

Dass sich tut ein Streit erheben

Zwischen Dir und den Geschwistern

Wenn sie nach dem Fahren lüstern

Dann wirst Du es bald erleben

Das wir ihn einem anderen geben

Du bist Herr von dem Gefährt

Wie – hab ich dir nun erklärt

Du kannst fahren durch Wald und Feld

Aber immer sei bereit

Den mitzunehmen, den es freut



Ganz genau hab' ich es nicht mehr behalten und viel in Reimen auszudrücken war bei uns in der Familie alte Familientradition. Ich habe ein ganzes Buch mit schonen Gedichten und Rätseln, die mein Großvater meiner Mutter, als sie in Königsberg war, schickte oft an statt von Briefen. Mein Vater benutzte auch gern statt selbst einzukaufen, diese symbolische Handlung. So besinne ich mich auch auf den Vers:


ln dem gewünschten rechten Verhältnis mein Einverständnis. Bei dieser Liebe zum Reimen war auch das Gesellschaftsspiel einen Reim zu machen aus zwei Worten, die vom rechten und linken Nachbarn ins Ohr geflüstert wurden, sehr beliebt. ichbesinne mich auf einen schönen Familienabend in der schlichten Genzlacker Wohnstube, an dem noch mein Vater teilnahm. Auf seinen Vers besinne ich mich noch.


Wagner ist ein Componiste

Walters Flötenspiel ist triste.


Die Verse hagelten einer nach dem anderen und wir waren alle so lebhaft  hinterher, dass mein Vater sagte: ‚jetzt darf nur noch in Versen gesprochen werden.’ Da fiel auch der später oft zitierte Reim:


Von aussen ist der George ganz schlicht

von innen aber doch ein Wicht.

und stiller wurde es trotzdem nicht.


Auch das "Dummkopfspief war sehr beliebt bei uns. Man sitzt im Kreis oder um den Tisch und jeder sagte der Reihe nach ein Wort: Hahn, Apfel, Gedicht usw. der Folgende wiederhoit das Wort respektive die Worte und fügt ein Neues hinzu. Wer einen Fehler macht oder nicht weiter kann, ist Dummkopf 1, dann 2, dann 3. Statt des neuen Wortes muss der nächste, der die Reihe anfragt, dann Dummkopf 1 oder 2- einfügen.


Wir machten es mit diesem Spiel, wie mit allem.schon beim Erwachen an.Fingen wir die Wortreihen zu sagen und abends vor dem Schlafengehen, so dass wir es auch darin zur Virtuosität brachten. Meine Kinder haben es uns nachher nachgemacht, und es war keinem geraten, da mitzumachen; ich habe auch da gesehen, was Übung macht. Wir betrieben eben alles mit Lustund Liebe und zielstrebigem Eifer und so gestatteten wir uns auch jeden Alltag zum Fest. ich besinne mich auch auf einen Abend, an dem Fragen aus der Geschichte gestellt wurden und weiß noch, wie es mir Eindruck machte, daß mein Vater so genau über Trafalgar 104 und Abukir Bescheid  wusste. Da passierte auch die kleine Geschichte. Ottilie wurde gefragt, wie der Präsident von Frankreich heiße. Sie wusste es nicht und meine Mutter flüsterte Elisabeth, die neben Ottilie saß, zu:„Реале“. Worauf Eiisabeth, die eben mit 11 Jahren in die Schule gekommen war sagte: “Aber ich kann doch nicht vorsagen, ich weiß es doch nicht."


Das war meine Kindheit, das war Genslack. Es ist als ob ein Heiligenschein über jener Zeit liegt.


Toutes ces choses sont passées

Comme i'ombre et comme ie vent.


  

Im Jahre 1896 war ich zum letzten Mal und mit der ganzen Familie in Genslack, 1897 war mein Vater schon schwerkrank im Roten Kreuz in Wiesbaden und ich mit ihm. 1898 fuhr ich nur hin, um alles aufzulösen, denn mein Vater hatte uns verlassen.


Zu der Taufe eines keinen Jungen des Besitzers fuhr ich noch einmal hin, aber da schien mir alles öd und leer. ich schrieb in mein Tagebuch die Worte Gerocks:


Den ich zum Abschied plücke

mein letzter Strauss ist dies,‘

ich kehre nicht zurücke

in mein Kindheitsparadies.




Im Jahre 1904 bin ich noch einmal zu den Städten meiner Kindheit gekommen, ais ich mit meinem Verlobten auf Jagd ging und meinen ersten Hasen schoss. Da hatte ein neues Leben sich mir aufgetan. Dazwischen liegen aber 5 traurig einsame und große reiche für meine Entwicklung bedeutende Jahre.



  

Wenn man die Geschichte der Marie Bock hier liest, kann sich jeder vorstellen, wie paradisisch das Leben auf Genslack war. Marie Bock war nur 9 Jahre älter als Charlotte Margarethe Helen Mueller West. Sie hat also die Geschichte der Familie Mueller-West aus direkter Nähe (sie waren ja Nachbarn und wohnten im selben Haus) kennen gelernt und erlebt.

Schön, dass es diese Geschichte gibt und dadurch das Leben auf Genslack nicht in Vergessenheit gerät.

  

Verheiratet in 2. Ehe (Egon von Pirch) am 15.9.1928 in Berlin

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Hans Henning Stolte, nächste Stolte-Generation 21

Das Leben Charlotte Mueller West mit dem 2. Ehemann Egon von Pirch

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Gen. 18 Hermine Wagner s.o.

Gen. 18.20,21 Das neue Auto mit N.N. Helene Elisabeth (Puschi),Charlotte Müller-West, Hermine Wagner

Gen. 20,21 Am Strand mit Helene Elisabeth Stolte (Puschi), N.N. ,Charlotte Müller-West, Hans Henning Stolte s.l.